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Alternativen zur Betriebsaufgabe: Unbefristete Betriebsunterbrechung und Selbstständigkeit im Nebenberuf

23. Nov. 2022
8 MIN

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Für viele Unternehmer und Selbstständige ist die Lage schwierig geworden, so dass sie ans Aufhören denken. Doch die Geschäftsaufgabe kann zu hohen Steuern führen. Je nach Umständen kann eine „Betriebsunterbrechung auf Dauer“ als Alternative überlegenswert sein.

Denken Sie daran, Ihre Selbstständigkeit aufzugeben?

Vielen Selbstständigen und Unternehmen steht das Wasser derzeit bis zum Hals. Energiepreise und Inflation treiben die Kosten. Die Kauflaune bei Verbrauchern sinkt, die Investitionsbereitschaft von Geschäftskunden ebenfalls. Dazu kommen in vielen Bereichen gestörte Lieferketten. Vor diesem Hintergrund kann der Ausstieg aus der Selbstständigkeit ins Blickfeld rücken, beispielsweise der Wechsel in eine Beschäftigung.

Allerdings sollte die Aufgabe der Selbstständigkeit durchdacht erfolgen. Wenn Sie Ihr Unternehmen endgültig schließen, müssen Sie den sogenannten Aufgabegewinn versteuern. Das betrifft nicht nur mögliche Guthaben auf dem Geschäftskonto, die Sie aufs Privatkonto überweisen. Es geht um den Wert Ihres gesamten Anlage- und Betriebsvermögens und kann zu einer empfindlichen Belastung führen.

In manchen Fällen ist deshalb eine unbefristete Betriebsunterbrechung die sinnvollere Alternative zur endgültigen Schließung. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die selbstständige Tätigkeit deutlich zu reduzieren, als Selbstständigkeit im Nebenberuf aber auf niedrigem Level beizubehalten. Ob diese Optionen in Frage kommen, hängt stets vom Einzelfall ab. Es lohnt sich jedoch, die verschiedenen Szenarien durchzurechnen.

Das Problem bei Geschäftsaufgabe: Der Aufgabegewinn muss versteuert werden

Das Finanzamt erwartet bei der Aufgabe eines Betriebs eine Versteuerung des Aufgabegewinns. Die Aufgabe des Unternehmens wird steuerlich so behandelt, als wäre es verkauft worden (§ 16 Abs. 3 EStG). Auch wenn es dort wörtlich um die Aufgabe des Gewerbebetriebs geht, gelten die entscheidenden Regelungen des Paragrafen auch für Freiberufler (§ 18 Abs. 3 EStG).

  • Auf den Aufgabegewinn müssen Sie als Inhaber Einkommensteuer bezahlen.
  • Falls Ihr Unternehmen gewerbesteuerpflichtig war, kommt möglicherweise Gewerbesteuer dazu.
  • Schließlich sind Verkäufe ebenso wie Übertragungen von Betriebsvermögen, die anlässlich der Aufgabe erfolgen, grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig.

Der Aufgabegewinn

Den Veräußerungsgewinn können Sie nicht etwa per Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln. Vielmehr müssen Sie dafür das gesamte materielle und immaterielle Vermögen Ihres Unternehmens bewerten. Einige Beispiele:

  • Sie verkaufen Ihre Maschinen? Dann müssen Sie den dafür erzielten Preis beim Aufgabegewinn mit einrechnen. Den Buchwert, d. h. den noch nicht abgeschriebenen Teil der Anschaffungskosten, dürfen Sie davon abziehen. (Mehr zum Abschreiben steht in „Prinzip Abschreibung“)
  • Ihren Transporter wollen Sie in Zukunft privat fahren? In diesem Fall muss dessen „gemeiner Wert“ steuerlich berücksichtigt werden. Das ist der Preis, den das Fahrzeug als Gebrauchtwagen auf dem Markt erzielen würde. Dass der Transporter mehr als sechs Jahre alt und komplett abgeschrieben ist, ändert daran nichts.
  • Zu allem Überfluss fällt auf die Übernahme des Transporters in Ihr Privatvermögen auch noch Umsatzsteuer an – etwa so, als hätte Ihr Unternehmen das Fahrzeug an Sie als Privatmann oder -frau verkauft. Das Unternehmen muss den Umsatzsteueranteil ans Finanzamt abführen, Sie als privater Verbraucher können die Vorsteuer aber nicht geltend machen.
  • Entsprechendes gilt für immaterielle Werte. Ihr Unternehmen hat eine Software-Lizenz, Sie wollen das Programm privat weiter nutzen? Auch dann will das Finanzamt den gemeinen Wert versteuert haben, einschließlich Umsatzsteuer.
  • Gibt es offene Forderungen von Kunden, die nicht bezahlt haben? Die sind ebenfalls ein Teil des unternehmerischen Vermögens und damit steuerpflichtig. Wenn Sie von vornherein von einem Zahlungsausfall ausgehen, können Sie die Forderung bei der Aufgabe Ihrer Selbstständigkeit abschreiben. Dann entfällt die Steuerpflicht, außer, das Geld trudelt doch noch ein.

Oft wird eine Schlussbilanz erstellt, um das Betriebsvermögen zu erfassen. Schon deshalb lohnt es sich, die Betriebsauflösung nicht ohne Steuerberater durchzuführen. Dessen Gebühren können Sie als Teil der Aufgabekosten vom Aufgabegewinn abziehen.

Drei Anmerkungen

  • Wichtig: Für die Auflösung von Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften gelten besondere Regeln. Dazu sollte in jedem Fall ein Steuerberater hinzugezogen werden.
  • Meldepflicht: Gewerbliche Selbstständige müssen die endgültige Betriebsaufgabe dem Gewerbeamt anzeigen (§ 14 Abs. 1 Nr.3 GewO). Für Freiberufler besteht keine entsprechende Verpflichtung.
  • Den Anspruch auf eine unbezahlte Forderung behalten Sie nach der Betriebsaufgabe als Privatmann oder –frau weiter. Zahlt der Kunde später doch noch, ist der Geldeingang bereits versteuert und muss nicht mehr in Ihrer Einkommensteuererklärung auftauchen.

Aufgabe-Privileg: Steuerfreibetrag ab 55 Jahren

In bestimmten Fällen gilt beim Aufgabegewinn ein Steuerfreibetrag: Dann, wenn der oder die Selbstständige mindestens 55 Jahre alt oder dauerhaft berufsunfähig ist. In diesem Fall dürfen sie vom Ausgabegewinn einen Freibetrag von 45.000 Euro abziehen (§ 16 Abs. 4 EStG).

Allerdings schrumpft der Freibetrag, wenn der Aufgabegewinn mehr als 136.000 Euro erreicht: Jeder Euro darüber wird wiederum vom Freibetrag abgezogen. Erreicht der Aufgabegewinn 181.000 Euro, muss er voll versteuert werden.

Der Freibetrag für Aufgabegewinne darf pro Person nur einmal geltend gemacht werden. Jede zukünftige Geschäftsaufgabe ist dann voll steuerpflichtig.

Für Selbstständige, die nahe an der Altersgrenze von 55 Jahren sind, kann es damit einen echten Anreiz geben, mit der Geschäftsaufgabe zu warten. Die fehlenden Monate oder selbst Jahre lassen sich durchaus auch mit einer Betriebsstilllegung oder einer nebenberuflichen Selbstständigkeit überbrücken.

Alternative eins: Nebenberuflich selbstständig bleiben

Eine mögliche Alternative zur Geschäftsaufgabe: Sie führen Ihre Selbstständigkeit nebenberuflich fort. Damit fällt kein Aufgabegewinn an – das Unternehmen besteht ja weiter. Dafür genügt eine „Selbstständigkeit auf Sparflamme“.

Eine nebenberufliche Selbstständigkeit ist sogar dann möglich, wenn Sie sich arbeitslos bzw. arbeitssuchend melden. Allerdings dürfen Sie in diesem Fall nicht mehr als 15 Wochenstunden selbstständig tätig sein und müssen für eine Stellenvermittlung zur Verfügung stehen.

Wenn Sie von der hauptberuflichen Selbstständigkeit in einen Angestelltenjob wechseln, ist die nebenberufliche Selbstständigkeit erst recht kein Problem, solange Sie Ihrem neuen Chef keine Konkurrenz machen und Ihre Arbeitskraft seinem Unternehmen voll zur Verfügung steht. Sie sollten den Arbeitgeber allerdings von ihrem Nebenerwerb in Kenntnis setzen.

Da bei diesem Szenario die Sozialversicherungspflicht durch den Hauptberuf bzw. von der Arbeitsagentur abgedeckt wird, kann sich diese Variante rechnen. Und: Sollte sich die Marktlage wieder verbessern, können Sie jederzeit wieder voll in die Selbstständigkeit zurückkehren.

Alternative zwei: Unbefristete Betriebsunterbrechung

Eine weitere Möglichkeit ist die Betriebsunterbrechung. Versteuern müssen Sie in diesem Fall nichts. Solange sie grundsätzlich die Absicht haben, die selbstständige Tätigkeit später wiederaufzunehmen, liegt keine steuerpflichtige Betriebsaufgabe vor. Beim Gewerbeamt anzeigen müssen Sie die Unterbrechung ebenfalls nicht, auch nicht als Gewerbetreibender.

Allerdings hat auch diese Option einen Haken: Eine Selbstständigkeit kostenneutral einzumotten ist schwierig bis unmöglich. In der Regel fallen laufende Kosten an, z. B. die Miete für Garagen oder Lagerräume, die Jahresgebühren für Softwarelizenzen, Kammerbeiträge oder Wartungskosten für Maschinen. Diese Ausgaben stellen selbst bei ruhender Geschäftstätigkeit Betriebsausgaben dar. Sie können mit den Einnahmen z. B. aus nachträglich bezahlten Rechnungen verrechnet werden, oder auch mit dem in Vorjahren erzielten Gewinn. Das nennt man Verlustrücktrag. Alternativ können Sie die Verluste „mitnehmen“ und als Verlustvortrag mit Einkünften in Folgejahren verrechnen.

Liebhaberei

Nach einiger Zeit müssen Sie jedoch damit rechnen, dass das Finanzamt Ihnen „Liebhaberei“ vorwirft. So wird eine scheinbar unternehmerische Tätigkeit bezeichnet, die über längere Zeit nur Verluste einbringt und offenbar keine Gewinne erzielen soll. Die Folge: Sie können damit verbundene Ausgaben und Verluste nicht länger steuerlich geltend machen. Bis es soweit ist, vergehen allerdings in der Regel Jahre.

Außerdem hat der Bundesfinanzhof festgestellt, dass der Übergang („Strukturwandel“) von einem gewinnorientierten Betrieb zur Liebhaberei steuerlich nicht wie die Aufgabe des Betriebs zu behandeln ist (BFH, 11.05.2016 - X R 61/14). Sie müssen dabei also keinen Aufgabegewinn versteuern. Verkaufen Sie jedoch nach dem Übergang Betriebsvermögen wie eine Maschine, müssen Sie dies als nachträgliche Betriebseinnahme nachversteuern. Ausschlaggebend ist dann der Gemeinwert, denn die Maschine zum Zeitpunkt des Übergangs hatte. Eine spätere Auflösung des Betriebs führt so zu einer vergleichbaren Steuerbelastung wie die direkte Auflösung, selbst wenn der Gemeinwert von Maschinen, Fahrzeugen und anderen Vermögenswerten zwischenzeitlich gesunken ist. Sie halten sich aber die Möglichkeit der Wiederaufnahme offen und können gegebenenfalls auf die Altersgrenze für den Freibetrag warten.

Fazit: Auch das Aufgeben sollte man planen

Es gibt keine Standard-Empfehlung für Selbstständige, deren Selbstständigkeit sich aktuell nicht mehr rechnet. Ob eine Geschäftsaufgabe, eine vorübergehende Betriebsunterbrechung oder die Fortführung im Nebenberuf die sinnvollste Lösung ist, lässt sich nur individuell entscheiden.

Die finanzielle Seite jeder sinnvoll möglichen Variante sollte man genau durchrechnen. Wenn Sie nicht gerade selbst Steuerexperte sind, holen Sie sich dafür am besten fachlichen Rat. Schließlich soll eine Betriebsaufgabe die finanziellen Belastungen nicht noch steigern.

Und dann ist da auch noch die psychologische Seite. Viele Personalchefs glauben, dass Menschen nicht mehr als Arbeitnehmer taugen, wenn sie erst einmal selbstständig waren. Das ist sicher übertrieben. Doch es ist gut möglich, dass Sie trotz der aktuellen Probleme später wieder die Lust packt, erneut Ihr eigener Chef zu sein. Dann ist es ein Vorteil, den Laden nicht ganz dichtgemacht zu haben. Auch dieser Aspekt kann eine Überlegung wert sein.


Lektüretipps:

Weiterführende Informationen zu Steuer- und Buchführungsthemen finden Sie im orgaMAX-Blog und im Newsletter-Archiv:

 

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