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Zurück zur Kleinunternehmer-Regelung: Geht das? Und wenn ja: wie?

8. Jun. 2022
9 MIN

202206_Kleinunternehmer

Die gute Nachricht gleich vorweg: Ja, ein Wechsel zur Kleinunternehmer-Regelung steht auch zuvor umsatzsteuerpflichtigen Unternehmern offen. Vorausgesetzt natürlich, sie erfüllen die dafür erforderlichen Voraussetzungen. Allerdings sollte der Umstieg gut überlegt sein: Die Umstellung ist nicht ganz unkompliziert und lohnt sich auch nur unter ganz bestimmten Umständen.

Bitte beachten Sie: Genau genommen sind auch Kleinunternehmer umsatzsteuerpflichtig. Bei ihnen wird die Umsatzsteuer lediglich „nicht erhoben“. So steht es in § 19 UStG. Die Entstehung und Erhebung der Umsatzsteuer spielt bei einer Rückkehr zur Kleinunternehmer-Regelung denn auch eine wichtige Rolle. Doch der Reihe nach:

 

 

Moment mal: Kleinunternehmer-Regelung!?

Durch die „Besteuerung der Kleinunternehmer“ entfällt bei Unternehmern mit geringen Jahresumsätzen ein großer Teil des Verwaltungsaufwands. Umsatzsteuerliche Kleinunternehmer ...

  • dürfen auf ihren Rechnungen keine Umsatzsteuer ausweisen,
  • brauchen sich somit auch keine Gedanken über den passenden Umsatzsteuersatz für ihre Dienstleistungen und Produkte zu machen,
  • können sich monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen sparen und
  • müssen auch keine Umsatzsteuer ans Finanzamt abführen.

Mit anderen Worten: Der bürokratische Aufwand ist kleiner – dafür verlieren Kleinunternehmer aber auch die sonst übliche Vorsteuer-Abzugsberechtigung. Das macht Beschaffungen teurer: Der Umsatzsteueranteil betrieblicher Einkäufe schlägt voll auf die Kosten durch und schmälert so den Gewinn.

Bitte beachten Sie: Niemand ist verpflichtet, die Kleinunternehmer-Regelung in Anspruch zu nehmen. Wer trotz geringer Anfangsumsätze freiwillig auf die Anwendung der Vorschrift verzichtet, ist allerdings fünf Kalenderjahre lang daran gebunden. Auf diese Weise sollen unerwünschte Mitnahmeeffekte durch Wechsel des Besteuerungsverfahrens unterbunden werden.

 

 

B2C: Vorteile im Privatkunden-Bereich

Neben den administrativen Erleichterungen bringt die Kleinunternehmer-Regelung letztlich nur dann finanzielle Vorteile, wenn die Kundschaft überwiegend aus Endverbrauchern besteht:

  • Da sie keine Umsatzsteuer in Rechnung stellen müssen, können Kleinunternehmer Privatleuten günstigere Preise anbieten als Ihre regelbesteuerten Wettbewerber.
  • Oder andersherum: Wer dieselben Preise wie umsatzsteuerpflichtige Unternehmen durchsetzen kann, erhöht seinen Gewinn um den nicht erhobenen Umsatzsteueranteil.

Bei Geschäftskunden hingegen wirkt sich das Kleinunternehmer-Privileg nicht positiv aus: Für diese Zielgruppe ist der Umsatzsteueranteil bekanntlich ein durchlaufender Posten. Hinzu kommt: Im B2B-Geschäft outen Sie sich durch den fehlenden Umsatzsteuer-Ausweis auf der Rechnung als „kleiner Krauter“. Kleinunternehmer gelten im Geschäftsleben oft als unprofessionelle Amateure.

 

Gründer-Privileg? Von wegen!

Die Kleinunternehmer-Regelung gilt landläufig als steuerliche Erleichterung für Gründer. Tatsächlich wird sie überwiegend von Nachwuchs-Selbstständigen in der Anlaufphase genutzt. Wer im Nebenerwerb selbstständig oder gewerblich tätig ist (oder aus anderen Gründen langfristig geringe Jahresumsätze macht), darf die Kleinunternehmer-Regelung aber auch dauerhaft in Anspruch nehmen.

 

Voraussetzung für das Kleinunternehmer-Dasein ist das Einhalten der folgenden Umsatzgrenzen:

  • Vorjahres-Umsatz (nicht: Gewinn!) bis zu 22.000 Euro

und

  • voraussichtlicher Umsatz im laufenden Kalenderjahr bis zu 50.000 Euro.
Wichtig: Die KleinunternehmeR-Regelung ist eine personenbezogene Vorschrift: Erzielt eine natürliche Person Umsätze aus unterschiedlichen Gewerbebetrieben und / oder verschiedenen selbstständigen Tätigkeiten, werden die betreffenden Umsätze addiert. Die Umsatzgrenzen lassen sich also nicht durch Verteilung auf mehrere KleinunternehmeN erhöhen!

 

Nun aber zu den Konditionen eines nachträglichen Wechsels oder einer Rückkehr zur Kleinunternehmer-Regelung:

 

Netto-Betrachtung: „Absteiger“ müssen Umsatzsteuer rausrechnen!

Ihre Umsätze sind in den letzten Jahren (nicht nur Corona-bedingt) spürbar gesunken – und werden sich in absehbarer Zeit voraussichtlich auch nicht erholen? Sie machen überwiegend Geschäfte mit Privatleuten und möchten sich in Zukunft den Umsatzsteuer-Aufwand sparen?

 

Dann sind die folgenden Punkte für Sie wichtig:

  1. Ein Wechsel zur „Besteuerung der Kleinunternehmer“ ist auch dann möglich, wenn Sie die Vereinfachungs-Regelung zuvor (z. B. als Gründer) noch nicht in Anspruch genommen haben.
  2. Falls Sie in der Vergangenheit freiwillig auf die Anwendung der Kleinunternehmer-Besteuerung verzichtet (und stattdessen für die Regelbesteuerung „optiert“) haben, müssen vor einem Wechsel mindestens fünf Kalenderjahre vergangen sein.
  3. Beantragen müssen Sie das Kleinunternehmer-Privileg nicht: Es genügt, das Finanzamt darüber zu informieren, dass Sie die Vorschrift in Anspruch nehmen.
  4. Voraussetzung: Der Vorjahresumsatz plus die darauf entfallende Umsatzsteuer lag unter 22.000 Euro.
  5. Die konkrete Umsatzgrenze hängt vom Umsatzsteuersatz ab, der auf Ihre Waren und Dienstleistungen anfällt:
    • Umsatzsteuerfreie Umsätze werden bei der Ermittlung des Jahresumsatzes grundsätzlich nicht berücksichtigt.
    • Beim Steuersatz von 19% ist die 22.000-Euro-Grenze bereits mit 18.487 Euro Umsatz plus 3.513 Euro Umsatzsteuer erreicht.
    • Beim Steuersatz von 7% ist die 22.000-Euro-Grenze mit 20.561 Euro Umsatz plus 1.439 Euro Umsatzsteuer erreicht.
    • Wenn Sie Lieferungen und Leistungen mit unterschiedlichen Steuersätzen verkauft haben, kommt es auf das konkrete Verhältnis der anteiligen Umsätze an.

So oder so: Die für Ihren Betrieb relevanten Zahlen ergeben sich aus Ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Ihrer Umsatzsteuererklärung für das Vorjahr.

Die Umsatzgrenze für das laufende Geschäftsjahr ist für einen möglichen Wechsel zur Kleinunternehmer-Regelung hingegen bedeutungslos: Wenn bereits absehbar ist, dass Sie im neuen Jahr zwischen 22.000 Euro und 50.000 Euro Umsatz machen werden, lohnt sich das Nachdenken über einen Wechsel der Besteuerungsart von vornherein nicht.

Bitte beachten Sie: Ein Wechsel zur Kleinunternehmer-Regelung ist grundsätzlich nur zu Beginn eines neuen Kalenderjahres möglich.

 

 

Graue Theorie: Gnadenfrist für Spätzünder

Sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, können Sie das Finanzamt theoretisch noch rückwirkend mit der Umsatzsteuererklärung im folgenden Jahr über den Wechsel zum Kleinunternehmer-Status informieren. Wenn Sie sich so lange Zeit lassen ...

  • dürfen Sie im betreffenden Jahr aber keine Rechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer geschrieben haben – oder aber
  • Sie müssten bereits ausgestellte Rechnungen mit Einverständnis Ihrer Kunden nachträglich korrigieren!

Dieser Aufwand dürfte sich aber nur in (sehr seltenen!) Ausnahmefällen lohnen.

 

Nicht vergessen: das Kleingedruckte

Wichtig: Die genannten Wechsel-Konditionen dienen nur einer ersten Orientierung. Denn bei einem nachträglichen Wechsel zur Kleinunternehmer-Regelung sind darüber hinaus eine Menge Feinheiten zu beachten.

 

Hier die wichtigsten Stolperfallen im Überblick:

  • Offene Vorjahres-Rechnungen (mit ausgewiesener Umsatzsteuer) unterliegen auf jeden Fall der Umsatzsteuer. Das gilt auch dann, wenn sie erst im neuen Jahr beglichen werden. Umsatzsteuer-Einnahmen aus solchen Rechnungen müssen Sie auf jeden Fall ans Finanzamt melden und unaufgefordert abführen.
  • Umgekehrt dürfen Sie bei der nächsten Umsatzsteuer-Erklärung aber auch Vorsteueranteile aus Vorjahresrechnungen geltend machen, die Sie erst im neuen Jahr bezahlt haben.
  • Wenn Sie in den letzten fünf Jahren Maschinen, Anlagen, Fahrzeuge und andere „Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens“ angeschafft haben, muss der dafür in Anspruch genommene Vorsteuerabzug nachträglich korrigiert werden. Pro Kalenderjahr ist dabei ein Fünftel des Vorsteuerabzugs ans Finanzamt zurückzuzahlen.
    Immerhin: Aus Vereinfachungsgründen gilt das nur für Anschaffungen, bei denen Sie zuvor mehr als 1.000 Euro Vorsteuer geltend gemacht haben. Bei einem Steuersatz von 19% entspricht das Anschaffungs- und Herstellungskosten von rund 5.260 Euro.

Bitte beachten Sie: Die Details eventueller Umsatzsteuer- und Vorsteuerkorrekturen ergeben sich aus § 15a UStG in Verbindung mit § 44 UStDV. Die genauen Details sollten Sie unbedingt mit einem Steuerberater besprechen.

 

 

Lektüretipps

Weiterführende Informationen zu Steuer-, Rechts- und Businessthemen finden Sie in der Rubrik Unternehmer-News des orgaMAX-Blogs:

 

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